- Klage des Propheten über sein und des Volkes Elend - Anerkenntnis der Treue Gottes - Aufruf zum Sündenbekenntnis - Bitte um Rettung und Vergeltung an den Feinden
- 1
- Ich bin der Mann, der Elend sah durch die Rute seines Grimmes.
- 2
- * Mich trieb er weg und ließ mich gehen in Finsternis und ohne Licht.
- 3
- * Nur gegen mich wendet er immer wieder seine Hand, jeden Tag.
- 4
- Verfallen ließ er mein Fleisch und meine Haut, zerbrach meine Knochen,
- 5
- * umbaute und umgab mich mit Gift und Mühsal.
- 6
- * Er ließ mich wohnen in Finsternissen, wie die Toten der Urzeit.
- 7
- Er ummauerte mich, daß ich nicht herauskann; er legte mich in schwere, bronzene Ketten.
- 8
- * Auch wenn ich schrie und um Hilfe rief, verschloß er [sein Ohr vor] meinem Gebet.
- 9
- * Er vermauerte meine Wege mit Quadersteinen, kehrte meine Pfade um.
- 10
- Ein lauernder Bär war er mir, ein Löwe im Versteck.
- 11
- * Er ließ mich vom Weg abirren, zerfleischte mich und machte mich menschenleer.
- 12
- * Er spannte seinen Bogen und stellte mich hin als Ziel für den Pfeil.
- 13
- Er ließ in meine Nieren dringen die Söhne seines Köchers.
- 14
- * Ich wurde meinem ganzen Volk zum Gelächter, ihr Spottlied [bin ich] jeden Tag.
- 15
- * Er sättigte mich mit bitteren Kräutern und tränkte mich mit Wermut.
- 16
- Und er ließ auf Kies meine Zähne beißen, er trat mich nieder in den Staub.
- 17
- * Du verstießest meine Seele aus dem Frieden, ich habe vergessen, was Glück ist.
- 18
- * Und ich sagte: Verloren ist mein Glanz und meine Hoffnung auf den HERRN.
- 19
- An mein Elend und meine Heimatlosigkeit zu denken, [bedeutet] Wermut und Gift!
- 20
- * [Und doch] denkt und denkt meine Seele daran und ist niedergedrückt in mir.
- 21
- * [Doch] dies will ich mir in den Sinn zurückrufen, darauf will ich hoffen:
- 22
- Ja, die Gnadenerweise des HERRN sind nicht zu Ende, ja, sein Erbarmen hört nicht auf,
- 23
- * es ist jeden Morgen neu. Groß ist deine Treue.
- 24
- * Mein Anteil ist der HERR, sagt meine Seele, darum will ich auf ihn hoffen.
- 25
- Gut ist der HERR zu denen, die auf ihn harren, zu der Seele, die nach ihm fragt.
- 26
- * Es ist gut, daß man schweigend hofft auf die Rettung des HERRN.
- 27
- * Gut ist es für den Mann, wenn er das Joch in seiner Jugend trägt.
- 28
- Er sitze einsam und schweige, wenn er es ihm auferlegt.
- 29
- * Er lege seinen Mund in den Staub, vielleicht gibt es Hoffnung.
- 30
- * Er biete dem, der ihn schlägt, die Wange, sättige sich an Schmach.
- 31
- Denn nicht für ewig verstößt der Herr,
- 32
- * sondern wenn er betrübt hat, erbarmt er sich nach der Fülle seiner Gnadenerweise.
- 33
- * Denn nicht von Herzen demütigt und betrübt er die Menschenkinder.
- 34
- Daß man alle Gefangenen des Landes unter seinen Füßen zertritt,
- 35
- * daß man das Recht eines Mannes beugt vor dem Angesicht des Höchsten,
- 36
- * daß man einen Menschen irreführt in seinem Rechtsstreit - sollte der Herr es nicht sehen?
- 37
- Wer ist es, der da sprach, und es geschah, - [und] der Herr hat es nicht geboten?
- 38
- * Kommt nicht aus dem Mund des Höchsten das Böse und das Gute hervor?
- 39
- * Was beklagt sich der Mensch, der [noch] am Leben ist, [was beklagt sich] der Mann über seine Sündenstrafe?
- 40
- Prüfen wollen wir unsere Wege und erforschen und umkehren zu dem HERRN!
- 41
- * Laßt uns unser Herz samt den Händen erheben zu Gott im Himmel!
- 42
- * Wir, wir haben die Treue gebrochen und sind widerspenstig gewesen; du [aber], du hast nicht vergeben.
- 43
- Du hast dich in Zorn gehüllt und hast uns verfolgt; du hast uns umgebracht ohne Mitleid.
- 44
- * Du hast dich in eine Wolke gehüllt, so daß kein Gebet hindurchdrang.
- 45
- * Du hast uns zum Kehricht und zum Ekel gemacht mitten unter den Völkern.
- 46
- Alle unsere Feinde reißen ihren Mund über uns auf.
- 47
- * Grauen und Grube sind uns zuteil geworden, Untergang und Zusammenbruch.
- 48
- * Wasserbäche läßt mein Auge fließen wegen des Zusammenbruchs der Tochter meines Volkes.
- 49
- Mein Auge ergießt sich und kommt nicht zur Ruhe, [tränt] unaufhörlich,
- 50
- * bis der HERR vom Himmel herunterschaut und hinsieht.
- 51
- * Mein Auge schmerzt mich wegen all der Töchter meiner Stadt.
- 52
- Wie einen Vogel jagten und jagten mich [jene], die grundlos meine Feinde sind.
- 53
- * Sie stürzten mein Leben in die Grube und warfen Steine auf mich.
- 54
- * Wasser strömten über mein Haupt. Ich sagte [mir]: Ich bin [vom Leben] abgeschnitten!
- 55
- Da rief ich deinen Namen an, o HERR, aus der Grube tief unten.
- 56
- * Du hast meine Stimme gehört. Verbirg dein Ohr nicht vor meinem Seufzen, meinem Schreien!
- 57
- * Du nahtest an dem Tag, als ich dich anrief; du sprachst: Fürchte dich nicht!
- 58
- Du hast, Herr, meinen Rechtsstreit geführt, hast mein Leben erlöst.
- 59
- * Du, HERR, hast meine Entrechtung gesehen. Verhilf mir zu meinem Recht!
- 60
- * Du hast gesehen all ihre Rachgier, alle ihre Pläne gegen mich.
- 61
- Gehört hast du ihr Schmähen, o HERR, alle ihre Pläne gegen mich,
- 62
- * das Gerede derer, die gegen mich aufgetreten sind, und ihren Spott über mich den ganzen Tag.
- 63
- * Ihr Sitzen und ihr Aufstehen schau dir an! Ich bin ihr Spottlied.
- 64
- Übe an ihnen Vergeltung, HERR, nach dem Werk ihrer Hände!
- 65
- * Gib ihnen Verblendung des Herzens! Dein Fluch komme über sie!
- 66
- * Jage ihnen nach im Zorn und rotte sie aus unter dem Himmel des HERRN!
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